„Der letzte Montag“ – eine Climate Fiction Kurzgeschichte

Projekt-Details Hier wurde eine Kurzgeschichte von mir entwickelt, in der eine fiktive Protagonistin in Kalifornien durch schwerwiegende Ereignisse in ihrem Leben die meinungsverändernden Resultate der Umweltverschmutzung und des Klimawandels erfährt.
  • Datum : Oktober 2019
  • Auftraggeber : bib College International
  • Produktions-Ort : Bergisch Gladbach
  • Projekt-Status : beendet

„Climate Fiction“ — oder auch kurz „Cli-Fi“ genannt — bezeichnet ein Genre in der Literatur, das sich mit der Umweltverschmutzung und dem Klimawandel beschäftigt.

 

Der letzte Montag

 

Es ist Montag, der 14. September 2065. Die heiße Sonne streut ihre Sonnenstrahlen über die großen Möbel. Ich stehe vor dem Fernseher. Die Kinder schreien. Mein Mann ist nervös. Ich habe Tränen in den Augen. Es ist der letzte Montag.

 

Mein Name ist Claudia Lewis. Ich bin am 26. August 2031 in Morro Bay im großartigen Kalifornien geboren und lebte dort mit meinem Vater in einem kleinen Haus, in der Nähe des Strands. Meine Freundin Lara sagte immer: „Wir leben den Traum — den Traum, den Hollywood mit viel Mühe und Kosten für alle Menschen in den entferntesten Ecken der Welt nachzustellen versucht.“ Und so war es für mich auch. Das Wasser war blau, die Palmen groß, der Sommer heiß und die Nächte der Großstädte funkelten in allen erdenklichen Farben. Wenn mein Vater nicht gerade Drohne für den lokalen Packet-Transport reparieren musste, fuhr er mit mir oft mit dem Boot an den langen Stränden vorbei. Von Pacifica bis San Francisco dauert die Fahrt auch mit dem Schnellboot einige Stunden, aber die Gegend ist wunderschön. Im Juni 2045 fuhr ich und mein Vater mal wieder die tollte Bootstour ab. Da sah ich zum ersten Mal, wie tauende Menschen am Strand von San Francisco einen Protest ausüben und den Straßen- und Schiffsverkehr anhielten. Eine große Menschenmenge, die mit bösen Blicken und Schilder, auf denen die bekanntesten Industriebetriebe aus der Region standen, stellten vom Boot aus, eine gruselige Szene dar. Mir wurde bei dem Anblick noch heißer, als es so schon war. Wir fuhren schnell weiter, bevor sie auch uns bedrängten.

 

Ich verstand damals nicht, wie wir mit unseren schönen Gebäuden, glänzenden Autos und modernen Betrieben auch nur irgendetwas am Klima konnten. Wir lebten, wie all die Menschen vor unserer Zeit — nur eben noch etwas moderner und bestimmt noch sauberer. Die Drohnen, die meinen Vater wieder in den Himmel schickte, ersetzen tausende Fahrzeuge. Nur selten, erzählte er, liefen Akkus aus den abgestürzten Drohnen aus. Und dafür konnte auch keiner was. Er liebte seine Arbeit. Eines Abends rief ihn ein sehr einflussreicher Mann an. Er habe einen Job für meinen Vater, in dem es um die drohnen-unterstützte Untersuchung der Region ginge. Eine Firma mit einigen sehr bekannten Umweltforschern wollten eine Großuntersuchung starten und schauen, wie das Land in den letzten Jahrzehnten zu Schaden gekommen ist.

 

Oktober 2049: ich begann ich mein Studium zur Architektin in Los Angeles. Es war sehr weit weg, aber dafür war die Schule eine echte Legende. In der ersten Zeit fuhr ich jedes zweite Wochenende nach Hause. Bei den Schnellstraßen dauerte die Fahrt auch nicht so lange. Jedes Mal, wenn ich zu Hause ankam, erzählte mein Vater dann von den schlimmen Szenen, die er auf den Großuntersuchungen begegnete. Hunderte tote Enten, überschwemmte Bergtunnel, mit Flaschen überschwemmte Ufer, abgestürzte Drohnen und dreckiges Bauschrott, der — ohne ihre Hilfe — noch Jahrzehnte liegen bleiben würde. „Es wird immer schlimmer!“. Eines Tages durfte ich nicht mehr nach Hause fahren. Große Demonstrationen blockierten die Schnellstraßen und Landstraßen um San Francisco. Ganze zwei Wochen lang. Unzählige Menschen, die bei größter Hitze auf der Straße protestierten.

 

Dezember 2054: mein Vater ist … gestorben. Eine Giftgas-Explosion in einer Untersuchung im Los Padres National Forest hinterlässt blutige Spuren von Umweltverschmutzungen schlimmster Art. Tage und Wochen weinte ich im alten Schnellboot von Vater. Ein Schmerzensgeld konnte mir da auch nicht helfen. Ich vermisse ihn. Wie viel Dreck, Gift, Müll und Gas wollen wir noch auf unserer Erde verteilen. Die Versprechungen bis 2030 den Kohlendioxidausstoß auf null zu senken, wurde auch in den folgenden Jahren nicht gehalten, was immer mehr Menschen zu Protesten anregte. Stürme, Brände, Überschwemmungen und Hitzeperioden wurden mit jedem Jahr ein wenig schlimmer.

 

Februar 2056: ein großer Sturm ging durch Los Angeles. Viele Einwohner hatten Angst und zogen vorerst weg. Es gab eine Menge Tote und noch mehr Verletzte. Ich habe in den Nachrichten sehr schlimme Bilder gesehen. Von meiner alten Schule sind nur noch Überreste zu sehen. Wann wird das alles aufhören? Es ist der letzte Montag.

 

Seit dem Tod meines Vaters wohnte ich wieder in unserem alten Haus in Morro Bay. Dort lernte ich John kennen. Er war Journalist und Klima-Aktivist. Ich verliebte mich in ihn und nach zwei Jahren kauften wir uns in der Küstennähe von San Francisco ein großes Grundstück. Wir entwarfen unser Traumhaus mit bunt leuchtenden Sauerstoff-Biozellen, Aquarien mit seltenen Fischen, ein sich drehendes Schlafzimmer und viele grüne Pflanzen um ein wetterfestes hoch-modernes Gebäude. Für mich, für John und für unsere eineinhalb-jährige Tochter. Ich war nun Mutti.

 

Seitdem sind neun Jahre vergangen. Meine Tochter hat einen zwei Jahre jüngeren Bruder. Und nun stehe ich hier: vor dem Fernseher. Die heiße Sonne streut ihre Sonnenstrahlen über die großen Möbel. Die Kinder schreien. Mein Mann ist nervös. Ich habe Tränen in den Augen. Es ist der letzte Montag.

Ein im Anzug bekleideter Mann stellt sich in den Nachrichten vor dem Sprechpult. Uniformierte Männer patrouillierten im Hintergrund. Die Kameras und Mikrofone sind auf ihn gerichtet und die Sprech-Hologramme auf stumm geschaltet. Der Mann spricht ans Mikrofon: „Es ist der letzte Montag, an dem wir unseren Planeten belasten.“

 

In den letzten Jahren hat sich in Morro Bay einiges geändert. Transportmittel werden nur erlaubt, wenn sie ausschließlich mit erneuerbarer Elektro-Energie betrieben werden. Das Benzin Schnellboot von meinem Vater wurde schon vor 6 Jahren konfisziert. Die Palmen wurden genetisch verändert, damit sie mehr Sauerstoff produzieren. Die Nächte in den Städten funkeln schon lange nicht mehr so bunt, wie früher. Und das ist nur der Anfang.

 

Es ist der letzte Montag, in dem klima-spezifische Fragen von jedem Land einzeln entschieden werden dürfen. Die „GLOBAL GEO“ Task-Force hat nun weltweite Entscheidungsgewalt erlangt. In den nächsten Tagen und Wochen werden einige neue weltweite Gesetze erlassen, die unseren Planeten retten soll. Es ist der letzte Montag, in dem unsere Energie von nicht-regenerativen Energiequellen stammen dürfen und billige Produkte aus schlechten Materialien hergestellt werden. Es sind neue Akku-Typen im Umlauf, die viel speichern und später gut recycelt werden können. Der Kohlendioxidausstoß wird in den nächsten Monaten wieder auf die natürliche Menge gesenkt und der Teufelskreis damit gestoppt. Es ist der letzte Montag, an dem Forscher und Aktivitäten mit Angst auf die Statistiken schauen und der Kampf um eine bessere Zukunft endlos scheint.

 

Ich sehe mein Mann an. Wir nehmen uns in den Arm. Wir haben den Klimawandel etwas in den Griff bekommen. Vorerst.